Begegnung in der Einöde

26. Juli 2018. Wir verlassen St. Petersburg in Richtung Archangelsk. Unser erster Zwischenstopp ist eine Nacht in einer Blockhütte in Wytegra. Wir haben uns für diese Route entschieden, obwohl uns das Reisebüro davon abgeraten hatte. Eine Straße gab es nicht wirklich und der ganze Staub ließ Böses für einen Regentag erwarten. 

Nach stundenlangem Fahren durch den Wald kommen wir irgendwann in ein Dorf, in dem es nur alte verfallene Häuser und zwei nebeneinander liegende Kirchen gibt. Eine scheint im Rohbau zu sein, die andere ist eine Ruine. Da es trotzdem irgendwie romantisch wirkt, möchte ich gerne anhalten und ein Foto machen. Gerade als wir wieder los wollen, kommt ein junger Mann, der den anderen zuvor die Kirche gezeigt hat. Er erzählt mir, dass er eigentlich aus Moskau stammt, des Lebens dort aber überdrüssig war und daher beschloss, in diese Einöde zu kommen und seine eigene Kirche zu bauen. Wenn ich das so sage, meine ich das im wörtlichen Sinne. Mit seinen eigenen Händen und alleine arbeitet er an diesem Werk. Übers Internet generiert er Geld und schreibt auch einen Blog. Als ich ihn frage wo er wohnt, zeigt er auf eine alte Hütte, deren bessere Tage wohl auch schon ein Jahrhundert zurück liegen.

Obwohl wir uns fast gar nicht verstehen ist eine Verbindung da. Für mich ist das wieder einmal einer dieser Momente des absoluten Glücks und Trauer auf der anderen Seite. Gerne hätte ich an diesem Tag hier Stopp gemacht und mit ihm einen Tee getrunken, Geschichten getauscht und einen Abend in dieser wunderschönen Landschaft verbracht. Diese Begegnung klingt fast wie ein Gottesgericht: trotz besseren Ratschlags fahren wir diese Straße und irgendwann nach all dem Ruckeln und Schuckeln halte ich genau dort. Uns beiden ist das Lachen ins Gesicht gemeißelt und wir werden diesen Besuch unser Lebtag nie vergessen. 

Wir fahren weiter und erreichen spätabends unsere Blockhütte in Wytegra. Mit vielen Stufen. Doch dank der Rampe, eingespielten Assistenten und meinem sehr gut zu manövrierenden Rollstuhl konnten wir auch diese Hürde noch überwinden. Das Team, das schon voraus gefahren war, hat eine fantastische Brotzeit – und natürlich Wodka – vorbereitet. Danach ging‘s ab in die Koje.

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