Vor uns liegen drei Tage Archangelsk und wir lassen es ganz entspannt angehen. Nach dem gestrigen langen und anstrengenden Reisetag habe ich mir den Luxus gegönnt, statt wie gewohnt um 5:30 Uhr erst um 8 Uhr aufzustehen. Nach der Morgenroutine – in einem wirklich sehr kleinen Bad – und dem Frühstück setze ich mich bei strahlendem Sonnenschein auf die Terrasse des Hotels und schreibe für den Blog.
Unser erster Termin ist um 19 Uhr. In einem Kaffee mit Live-Musik besprechen wir bei einem gemeinsamen Abendessen unser Programm in Archangelsk. Neben dem obligatorischen Stadtrundgang werden wir uns mit den Leitern einiger sozialer Projekte treffen. Da in Russland zurzeit der Marinegeburtstag gefeiert wird, bekommen wir auch hier in Archangelsk etwas zu sehen. Im Gegensatz zu St. Petersburg geht es allerdings eher beschaulich zu. Wir schauen uns ein paar Marineschiffe und Blaskapellen an, bestellen in einer Bar mit Händen und Füßen unser Bier (unsere Dolmetscherin trudelte nach einer kleinen Shoppingtour etwas später ein), und setzen dann in einem kleinen Café unseren Austausch über Projekte für Menschen mit Behinderung fort. Ich bin überrascht und begeistert, was es alles gibt.
Besonders beeindruckt hat mich das Projekt einer Mutter deren Kind eine Hydrotherapie erhalten hat. Sie musste dafür regelmäßig nach Moskau fliegen. Leider können sich viele Eltern, deren Kinder von so einer Therapie ebenfalls profitieren könnten, das nicht leisten. Deshalb hat sie sich zur Therapeutin ausbilden lassen und im öffentlichen Schwimmbad angefangen die Kinder zu therapieren. Dort wurde sie allerdings „vertrieben“. Also hat sie kurzerhand beschlossen ein eigenes Schwimmbad oder besser gesagt Therapie-Bad zu bauen, das Ende des Jahres fertig sein soll. Hierfür sucht sie unbedingt noch Ausrüstung.
Ein weiteres Projekt ist die Zusammenarbeit zwischen einem Technologiezentrum in Moskau und einem örtlichen Verein. Uns wurde eine Art Skelett präsentiert, indem Menschen mit tiefem Querschnitt laufen und heiraten können. Das ist sehr interessant, weil es bereits einsatzfähig ist.
Das dritte Projekt haben wir uns am nächsten Tag angesehen. Hierbei ging es darum, dass die Stadt Archangelsk in Zusammenarbeit mit einem Fitnesscenter zusätzliche Flächen zur Verfügung gestellt hat um dort Geräte aufzustellen, die speziell für behinderte Menschen konzipiert sind. So können sowohl Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam im Fitnessstudio Sport machen. Dasselbe gibt es auch noch einmal als Außen-Spielplatz auf dem Gelände einer Schule. Es gibt zum Beispiel eine Schaukel für Rollstühle aber auch jede Menge Fitnessgeräte. Über dieses Thema möchte ich noch einen Artikel schreiben.
Ein Museumsbesuch und ein tolles Abendessen in einem Restaurant am Hafen runden unseren beeindruckenden Aufenthalt in Archangelsk ab. Wie steht es um die Mobilität für Menschen im Rollstuhl? Viele Bordsteine sind abgesenkt, jedoch sind diese auch hier so steil, dass Aktivrollstuhlfahrer geschoben werden müssen. Auch Straßen und Gehwege sind nicht immer in einem guten Zustand und erschweren die aktive Fahrt. Mit einem Elektorollstuhl wird es da schon leichter. Viele Kneipen und Geschäfte haben Rampen, jedoch ist in den Geschäften oft alles recht eng zusammengestellt, so dass der Rollstuhl klein und wendig sein sollte.
An unserem letzten Abend wird die Freude auf unsere bevorstehende Weiterreise getrübt. Wir haben keine Genehmigung für die Überquerung des Uralgebirges bekommen. Das Gebiet steht unter Naturschutz und die Straßen führen teilweise über das Gebiet von Gazprom. Hier schlägt die Bürokratie voll zu. Schade, dass wir das trotz aufwendiger Recherche vor der Reise erst jetzt herausbekommen haben. Wir sind also gezwungen die vor uns liegende Strecke neu zu planen und werden sehen, wie es weiter geht. Unser nächstes großes Etappenziel ist auf jeden Fall Jekaterinburg.